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Putting Audiences Centre-Stage: Status quo (1/3)

TLDR

Während des letzten Jahrzehnts wurde die digitale Kommunikation immer persönlicher. Kultureinrichtungen könnten den Draht zu ihrem Publikum verlieren, wenn sie es verpassen, diesem Trend zu folgen.

Was wir in den letzten 10 Jahren gelernt haben

Die Omnipräsenz des (mobilen) Internets auf Smartphones hat in den vergangenen 10 Jahren die Kommunikation revolutioniert – so sind wir heute ständig online und verbunden. Dabei ist es nicht lang her, als die meisten Besucherinnen von Orchestern und Opernhäusern lediglich zweimal pro Woche ihre E-Mails abriefen. Inzwischen bieten soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram und YouTube maßgeschneiderte Feeds und mehr personalisierte Inhalte, als jeder lesen, hören oder sehen kann. Und wir haben uns an diese einzigartig auf uns zugeschnittenen Online-Erlebnisse gewöhnt, die auf dem basieren was wir mögen und sehen wollen.

Kultureinrichtungen haben bis heute nichts Vergleichbares geschaffen und konnten in diesem "Jahrzehnt des Feeds" auch keine aussagekräftigen zusätzlichen Erkenntnisse über das Interesse ihrer Besucherinnen gewinnen. So weiß bis heute kein Veranstalter, Theater, Opernhaus oder Orchester genug über sein Publikum, um diesem personalisierte Inhalte anbieten zu können.

Warum ist das so und wie lässt es sich ändern?

Was wir alles noch nicht wissen

Um das Problem zu lösen, müssen wir zunächst akzeptieren, dass es existiert. Denn Kultureinrichtungen wissen schlicht und ergreifend zu wenig über das Interesse und die Motivation ihrer Besucherinnen, ein bestimmtes Konzert zu besuchen - und zwar nicht im Allgemeinen, sondern sehr spezifisch: Warum kaufen sie eine Karte für das Konzert mit Beethovens 3. Sinfonie, aber nicht für das mit Beethovens 4.? Zwar haben Umfragen und Marktforschungen eine lange Tradition in Kulturinstitutionen. Jedoch kann keine digitale Plattform ein personalisiertes Inhaltsangebot basierend auf jährlichen Nutzerbefragungen erstellen. Klassische Marktforschung hilft nicht beim Angebot von digitalen, zielgerichteten Inhalten.

Tatsache ist, dass Kultureinrichtungen zwar Indikatoren und Theorien haben, und viele einzelne Teammitglieder kennen die Gründe für ein allgemeines Besuchsverhalten ihres Publikums, aber es gibt keine belastbaren Daten darüber. Somit kann das vorhandene Wissen nicht genutzt werden, um interessenbasierte Konzertempfehlungen für einzelne Besucherinnen anzuzeigen oder um die Online-Erlebnisse auf jede Besucherin zuzuschneiden.

Darüber hinaus haben 18 Monate Pandemie zu tektonischen Verschiebungen bestehender Gewohnheiten geführt. Besucherinnen haben ihr Leben neu organisiert und die Lücken häufig mit anderen Aktivitäten gefüllt. Außerdem gibt es eine Menge nachzuholen: Man trifft sich endlich wieder mit Freunden und Familie, macht Urlaub, Wochenendausflüge oder geht wieder ins Lieblingsrestaurant. Das bedeutet, dass der Wettbewerb um ein Vielfaches gestiegen ist, nicht nur um den Geldbeutel der Besucherinnen, sondern vor allem um deren Zeit.

Wenn es im letzten Jahrzehnt um digitale Kommunikation ging, geht es im nächsten Jahrzehnt um interessenbasierte, personalisierte Kommunikation.

Bisherige Kundinnen nicht nur einmal, sondern immer wieder zurückzugewinnen, könnte harte Arbeit für Kulturorganisationen werden. Die ursprünglichen Beweggründe für den Besuch zu kennen und das Interesse zu verstehen, ist dabei unerlässlich. Wenn es im letzten Jahrzehnt um digitale Kommunikation ging, geht es im nächsten Jahrzehnt um interessenbasierte, personalisierte Kommunikation.

Es zählt das WAS und WARUM, nicht das WER

Für Kulturinstitutionen typische Besucherinnen-Befragung weisen meist einen großen Anteil an soziodemografischen Fragen auf, erörtern wie Gäste von ihrer Organisation erfahren haben, wie sie zum Veranstaltungsort gekommen sind, oder nehmen auf alles andere Bezug, was nicht mit dem eigentlichen Konzert oder der Aufführung zusammenhängt. Denn Kulturinstitutionen neigen dazu, sich zu sehr darauf zu konzentrieren, WER durch die Tür kommt, nicht WARUM sie kommen. Dabei sind das die tatsächlich wertvollen Informationen. Nicht auf der Ebene von "Musik", "Atmosphäre" oder "Ausgehen", sondern auf einer Detailebene, die jedes einzelne Konzert von allen anderen unterscheidet und in seiner Einzigartigkeit mit Daten beschreibt.

Die Frage, warum eine Besucherin eine Karte für ein Konzert mit Beethovens 3., aber nicht für Beethovens 4. Sinfonie gekauft hat, lässt sich nicht damit beantworten, dass diese Besucherin weiblich, 45 Jahre alt ist und in der Postleitzahl 10119 wohnt. Ein Blick auf das besuchte Konzert selbst und die musikgeschichtliche Bedeutung Beethovens Dritter könnte jedoch helfen: So wurde in unserem Beispiel das Konzert von einer aufstrebenden Dirigentin geleitet und die dritte Sinfonie Beethovens stellt den Beginn einer neuen Ära von Sinfonien dar. Mit diesem Verständnis lässt sich zuallererst feststellen, dass nicht Beethoven sondern die Dirigentin das relevante Merkmal ist, und anschließend nach einem passenden nächsten Event für diese Kundin suchen. Immer mehr Beethoven-Konzerte vorzuschlagen, bringt der Kundin keinen zusätzlichen Nutzen und wird eine unangenehme Erfahrung erzeugen. Bessere Empfehlungen könnten Programme umfassen, die kategorieprägende Werke und aufstrebende Künstlerinnen enthalten. Interessenbasierte Kundeneinblicke liefern diese Ebene des Verständnisses - automatisch.

#sidenote: Einkommen ist ein weiteres Beispiel für eine nutzlose Segmentierungsmetrik. Zwar schränken Ticketpreise manchmal den Zugang für Besucherinnen ein. Aber Menschen mit hohem Einkommen aufgrund der hohen Ticketpreise gezielt für eine Opernaufführung anzusprechen, geht an der Sache vorbei. Dies lässt sich vor allem bei Musikfestivals beobachten. Das Publikum kommt überwiegend aus der Altersgruppe zwischen 20 und 30 und gehört nicht unbedingt zu den einkommensstarken Bevölkerungsgruppen. Aber sie geben Hunderte Euro für Eintrittskarten, Reisen, Unterkunft und Getränke aus. Um das Argument auf die oben erwähnte Oper auszuweiten: Vielleicht kann man anhand des Einkommens oder des Alters vorhersagen, ob jemand wahrscheinlich die Oper besuchen wird. Aber die aufschlussreichere Analyse zeigt, wer ein bestimmtes Werk erleben will oder eine bestimmte Aufführung besuchen wird, nicht "Oper" im Allgemeinen.

Marketing-Verantwortliche werden entgegnen, dass Persona-Ansätze und Segmentierungstaktiken diese Idee einbeziehen. Doch gibt es kaum ein Unternehmen oder eine Organisation (von Bundesliga-Vereinen bis zu weltweit führenden Opernhäusern), die mit mehr als 5-7 Personas umgehen können. Und dann ist da noch die Herausforderung des unterschiedlichen Geschmacks und Interesses. Keine Kundin interessiert sich nur für ein bestimmtes Genre, eine bestimmte Art von Künstlerin oder eine bestimmte Ästhetik. Traditionelle Methoden der Kundensegmentierung können mit dieser Vielfalt nicht umgehen. In den meisten Fällen wird das Interesse der Kundinnen nur unzureichend abgebildet, da eine Reduktion von Merkmalen erforderlich ist, um eine überschaubare Anzahl von Kundenclustern zu gewährleisten. Da man nur ein Alter, aber mehrere Interessen haben kann, dominieren am Ende immer soziodemografische Merkmale die Kundencluster oder Personas.

Weiter zu den Lösungsansätzen in Teil 2: Interessenbasierte Kundensegmentierung ist die Zukunft