Interesse anstelle von Personen: Die nächste Welle der Marketing-Innovationen
TLDR
Eine neue Welle von Datenschutzbestimmungen macht die gezielte Ansprache von Verbrauchern weit weniger effizient als bisher. Das interessenorientierte Marketing ist die Zukunft, und die Veranstalter können die Vorteile ihrer vielfältigen Inhalte voll ausschöpfen.
Die letzten 10 Jahre im digitalen Marketing waren geprägt von immer besseren Targeting-Optionen. Lookalike Audiences und Retargeting ermöglichten einen superschnellen, bequemen und einfachen Weg, um sicherzustellen, dass Anzeigen von den richtigen Personen gesehen werden. Auf der anderen Seite hat die datengetriebene Ad-Tech Industrie nur wenig dazu beigetragen, dass Marketingexperten bessere Texte und Inhalte erstellen konnten. Angetrieben durch eine neue Welle von Datenschutzbestimmungen (von DSGVO bis hin zu Apples ATT) sehen Veranstalter nun einen erheblichen Rückgang in der Effektivität ihrer Targeting-Optionen. Man beginnt allmählich zu bedauern, 10 Jahre damit verbracht zu haben, sich auf nur eine Seite der Medaille zu konzentrieren (Nutzer-Targeting) und die anderen Seite (Inhalte) ignoriert zu haben.
Es ist an der Zeit, einen Blick darauf zu werfen, warum Inhalte wichtiger sind als je zuvor.
Content ist die Zukunft
Früher war Marketing im Wesentlichen auf Personen ausgerichtet. Die Ad-Tech Industrie maß und verfolgte die Menschen und versuchte, sie zu verstehen. In vielen Branchen funktionierte dies hervorragend, viel besser als alles andere zuvor. Es funktionierte sogar so gut, dass ganze Branchen darauf aufgebaut wurden. Erinnern Sie sich an den D2C-Trend und Unternehmen wie Dollar Shave Club oder Casper? Diese wurden durch Direct-Response-Anzeigen auf Facebook angekurbelt. Sie wurden durch Lookalike Audiences und Retargeting-Kampagnen angetrieben. Die Messung des individuellen Nutzerverhaltens durch Cookies, die Ermittlung der erfolgreichsten Conversions und die Beauftragung von Facebook mit der Suche nach mehr dieser Personen.
Vor dem Hintergrund der sich ausweitenden Datenschutzbestimmungen deutet die Zukunft nun auf die Zentralisierung einiger weniger großer Plattformen hin. Plattformen, die groß genug sind, um genügend plattforminterne Nutzerdaten zu besitzen (z. B. Amazon oder Spielegiganten wie Epic Games), werden in der Lage sein, Werbung auf ihren Plattformen zu schalten und Nutzer direkt dort zu konvertieren. Dies stellt ein Problem für alle anderen Unternehmen dar, die sich hauptsächlich auf die plattformübergreifende Verfolgung des Nutzerverhaltens verlassen. Niemand (nicht einmal Apple) hat jedoch vor, diesen Trend umzukehren. Um gezielte Werbung schalten zu können, braucht man allerdings eine Menge Daten, die es ermöglichen, das Verhalten und das Interesse der Nutzer zu beobachten.
Eric Seufert hat eine großartige Übersicht über die Veränderungen im Ad-Tech Ökosystem zusammengestellt und erörtert darin, was Content-Unternehmen (insbesondere Gaming) als nächstes tun können¹. Er hat den Begriff "Content Fortress" (Content-Festungen) gewählt und unterstreicht, dass dies für große Spiele- und andere Content-Plattformen funktionieren kann, wo Aktivität UND Conversions auf derselben Plattform stattfinden können. So wie die Branche derzeit aufgebaut ist, ist dies jedoch keine vertretbare Lösung für Veranstalter - wahrscheinlich nicht einmal für die größten Ticketing-Plattformen -, da die bisherige Nutzung der Inhalte nicht ausrecht, um genügend Einblicke in die Interessen der Menschen zu gewinnen.
Und was ist mit Veranstaltern?
Bei den Veranstaltern funktionierte das Targeting immer etwas anders. Letztlich war es schon immer etwas komplizierter, weil Musikgeschmack viel schwerer zu fassen und zu beschreiben ist. Ein Konzert ist in den meisten Fällen ein einmaliges Ereignis, was es nahezu unmöglich macht, mit genügend Iterationen und Budget den Sweet Spot der Werbe-Feedback-Schleife zu erreichen.
So gut Facebook seine Nutzer auch kennt (und in dieser Kategorie sind sie bei weitem die Besten!), so schlecht sind sie darin, den Musikgeschmack zu verstehen. Die Leute sind bereit, sich von Freunden ein Restaurant aussuchen zu lassen, aber es fällt ihnen weitaus schwerer, sich Konzertkarten kaufen zu lassen, ohne zu wissen, für welche Musik oder welchen Künstler. Der Musikgeschmack ist vielfältiger und persönlicher als die meisten anderen Dinge.
Veranstalter griffen daher auf traditionelle Segmentierungsmethoden zurück und stützten sich auf soziodemografische Daten, um Publikum und Fans zu gruppieren. Leider funktioniert dies noch weniger. Man beachte das berühmte Beispiel von Prinz Charles und Ozzy Osbourne:
Wenn Sie sich die von Veranstaltern üblicherweise verwendeten Segmentierungsmerkmale wie Alter, Geschlecht, Postleitzahl usw. ansehen, werden Sie feststellen, dass diese wenig dazu beitragen, zu entscheiden, wer für eine bestimmte Show oder Veranstaltung angesprochen werden soll.
Was kommt als Nächstes?
Netflix war eins der ersten Unternehmen, welches seine Vorbehalte diesbezüglich offen geäußert hat. Ihr Erfolg beruht darauf, dass sie sich nur auf die Interessen der Menschen konzentrieren und nicht auf die Personen selbst. Dieser interessenbasierte Ansatz ermöglicht es ihnen, die vielfältigen Interessen ihrer Nutzer zu beschreiben. So wie Netlifx-Nutzer können sich genauso Konzertbesucher für ein Sinfoniekonzert mit einer berühmten französischen Geigerin interessieren, aber auch für das nächste aufstrebende Metal-Wunderkind, das im kleinen Club nebenan seinen ersten Auftritt hat. Herkömmliche Kundensegmentierungsmethoden werden dieser Vielfalt des Musikgeschmacks einfach nicht gerecht.
Die offensichtliche Antwort für die Veranstalter besteht darin, Systeme zu entwickeln, die sich nur auf die Interessen der Fans konzentrieren und diese in Gruppen zusammenfassen. Die leistungsfähigen Werbenetzwerke von heute ermöglichen die Ausrichtung auf diese Interessen.
Zu wissen, WARUM die Leute Tickets kaufen, verschafft den Veranstaltern einen Vorteil gegenüber den großen Plattformen. Je unabhängiger sie von Ticketing- und Werbeplattformen werden, desto einfacher wird der Wechsel zwischen ihnen. Wenn Sie wissen, warum die Leute interessiert sind und welche Botschaft sie sehen müssen, um ein Ticket zu kaufen oder ein Angebot zu abonnieren, können Sie entscheiden, auf welche Plattform Sie sich konzentrieren wollen.
Was kann man jetzt tun?
Marketingexperten müssen ihren Schwerpunkt auf das Verständnis und die Ansprache von Interessen verlagern. Dies ermöglicht eine bessere Zielgruppenansprache und die Möglichkeit, kreative Inhalte mit Zielgruppenkriterien abzugleichen - alles automatisch. Es erhöht die Unabhängigkeit und die Geschwindigkeit, mit der sich Veranstalter an neue und auftstrebende Plattformen anpassen können.
Das interessenorientierte Marketing wird einer der wichtigsten strategischen Hebel für Vermarkter sein, die nicht über eine "Content-Festung" aus Inhalten verfügen. Viele Branchen müssen sich ranhalten, um ihren Rückstand aufzuholen und ihre gesamte Werbetechnik zu überarbeiten. Werbetreibende können nun endlich ihren bisherigen Nachteil (sehr, sehr vielfältige Inhalte) in einen starken Vorteil umwandeln. Je vielfältiger die Inhalte sind, desto besser lassen sich die Vorlieben und Interessen der Fans erkennen.
¹ https://mobiledevmemo.com/content-fortresses-and-the-new-privacy-landscape/